„Ohne Fantasie keine Kunst“, hat der Pianist und Komponist Franz Liszt (1811 – 1886) erkannt und gefordert. Ein Leitspruch, eine Erkenntnis, die auch die künstlerische Weltsicht der Schweizer Pianistin Genevieve bestimmt. Die Begeisterung für Liszts Klaviermusik prägt ihr Repertoire. Immer wieder ist diese Musik ein zentraler Aspekt ihrer Programme, auch ihre erste CD beschäftigte sich mit Liszts Kompositionen. Besonders angetan haben es ihr die Raritäten. Doch von Spezialistinnen-Denken und Schubladen-Dasein ist Genevieve weit entfernt. Sie ist begeistert von Romantikern und kann Klassiker wie Bach, Mozart oder Beethoven durch Liszts Bearbeitungen neu und anders entdecken und interpretieren.
Auch die Klangfarbigkeit von Skrjabins Musik fügt sich in ihre Repertoire-Interessen. Denn die Fixierung auf lediglich einen Komponisten, auf nur eine Epoche hat in ihrem Denken und Fühlen keinen Platz. Virtuosität ist für diese Pianistin weder Selbstzweck noch Selbstdarstellung. „Musik ist meine Kreativität“, sagt Genevieve über sich, „meine Leidenschaft, meine Geschichte, meine Inspiration, mein geistiges Schweben zwischen Himmel und Erde.“ Ihr Repertoire reicht von Mozart-Sonaten bis zu Ravels „Gaspard de la Nuit“, vom Brahms-Klavierkonzert bis zu Albeniz.
Ihren ersten Klavierunterricht erhielt Genevieve im Alter von fünf Jahren. Sie stammt aus einer musikalischen Familie und erhielt wichtige musikalische Impulse und Förderung von Künstlern wie Krystian Zimerman, Alexis Weissenberg, Shura Cherkassky, Pierre Amoyal oder Rudolf Baumgartner. Sie studierte in der Schweiz, Imola und Florenz. In Imola beschäftigte sie sich intensiv mit Liszts Spieltechnik, also mit der Idee, dass man die Tasten mit dem gesamten Körpergewicht berührt und die Finger die Verlängerung der Arme darstellen. Unter ihren zahlreichen Wettbewerbs-Erfolgen findet sich auch ein 1. Preis mit Auszeichnung bei der Swiss Music Competition sowie beim Concorso Internazionale Citta di Senigallia. Genevieve war außerdem Preisträgerin beim Steinway-Wettbewerb Hamburg und ist Steinway Artist. Sie hatte zahlreiche Auftritte in so renommierten Konzertsälen wie dem Wiener Musikverein, der Tonhalle Zürich, dem Sala Mozart in Bologna oder der Hamburger Laeiszhalle.
Ihr Solo-Debüt erschien 2015 bei RCA: Die 3-C-Box „On Wings of Song“ ist eine faszinierende Sammlung von Liszt-Transkriptionen: Paraphrasen über Ausschnitte aus Wagner-Opern treffen dort auf Fantasien über Vorlagen von Rossini, abgerundet mit Lied-Bearbeitungen romantischer Komponisten, wobei Genevieve ganz bewusst die erwartbaren Größen aussparte und stattdessen vor allem lohnende Entdeckungen aus Liszts Werkkatalog präsentierte. Erwartungen, die pflichtbewusst erfüllt werden, reizen sie nicht. Sie möchte neue Erfahrungen machen, immer neue Risiken eingehen und sich immer wieder von der Musik überraschen lassen. Genau das, diese Lust am Risiko, verbunden mit ihrem beeindruckenden pianistischen Können und großem Respekt vor der jeweiligen Komposition, macht Genevieves Charakter als Interpretin und Erzählerin aus. „Musik beflügelt, Musik ist echtes Gefühl, reine Wahrheit.“
Karten in der Kunsthalle oder unter 038293/7540