Jost Giese – dt. Maler, Graphiker, Plastiker, * 19. 4. 1953
Geb. in Meißen, lebt in Leipzig. Bis 1972 Elektromechaniker-Ausb. mit Abitur. 1975 – 80 Stud. an der HGB Leipzig bei Arno Rink und Bernhard Heisig (1980–83 dessen Meisterschüler). Studienreisen in die Sowjetunion, Bulgarien, Südafrika, Südfrankreich, Italien. V.a. Malerei (Kaseinemulsion und Öl häufig auf Papier); auch Graphik (Rad., Lith. wie Wiederkehrende Vergänglichkeiten, 1984; Die Verwandlung, 1985; Gebärden eines Clowns, 1985; Strohmannspiele, 1985), seltener Zchngn; ab 1993 auch plast. Arbeiten (u.a. Fahrfuß; Gehörnter; Kopfmundpfahl) und Objekte. – Seit 1983 freischaffend in Leipzig. Anfangs figurative Komp. und Portr., die zunehmend in stilisierende Abstraktionen übergehen. Mitte der 80er Jahre agieren G.s Figurationen in bühnenartigen Raumandeutungen (Die kleine Bühne, 1983), hier noch als konsequente Ableitung seiner method. Grundauffassung, dass das Bildformat „wie eine Bühne zum Theatermacher mit … graph. und maler. Mitteln“ sei. „Im Retourgehen, im Rückblicken – man ist selbst Regisseur und Mitspielender – formen sich beim Zeichnen und Malen Gestalten, die miteinander Beziehungen eingehen. Ich tausche sie aus, lasse sie verschwinden oder bringe neue dazu.“ Diese Auffassung G.s wandelt sich bis in die 90er Jahre ins Metaphor., das Sichtbare erscheint nun vollends abstrakt, die Figur wird zur Reflexionsebene der Gefühlswelt, archaische Formzusammenhänge artikulieren sich schemenhaft in farbl. Mischtönen (Einhorn-Portr., 1985), was G. das Prädikat „sanfter Wilder“ (Guth, 1985) einbringt. Die ästhet. Mitteilungskraft der Farben, ihr orchestraler Zusammenklang, ändert sich je nach gemaltem „emotionalen Sujet“ im Grad der Expressivität. Das Kolorit reicht vom warmen, sanftmütigen Hintergrund-Rot, auf dem leuchtendes Orange mit kühlem Blau angenehm korrespondieren, bis zu aggressiven Konfrontationen fast reiner Töne, die lustvoll mit Komplimentärfarben und Kontrasten spielen, in einigen Bildphasen nach dem Kapstadtaufenthalt (1991) noch verstärkt durch streng gliedernde schwarze Konturen (African fly, 1991). Zw. dieser Polarisation sind unzählige kompositionelle Varianten mögl., die sich entweder in zahlr. Bildetappen an ein G.s hohen Ansprüchen genügendes Ergebnis annähern aber auch Grundlage von Bildserien werden (z.B. Die Skulpturalen, 1991). Damit untrennbar verbunden sind zwei für G. typ. Bestrebungen: erstens die Auswahl von Titeln, die als eigenständiges, meist lyr., mitunter auch skurriles, Pendant zum Dargestellten existieren, indem sie nicht benennen, sondern ein assoziatives surreales Eigenleben führen (Endbeginn; Metasoma; Islandbabel…), zweitens intensive Auseinandersetzungen mit Lit. (z.B. mit G. Büchner, Woyzeck; S. Beckett, Warten auf Godot) und musikalische Anregungen, die im empfindsamen Giese brisante emotionale Projektionen auslösen, eine der Ursachen für seine Bildbesessenheit und exzessive Produktivität, mit der er zu originärer Bildsprache und der Fähigkeit gelangte, Komp. und Farbklänge mit furioser Leuchtkraft zu gestalten. Ab 1999 verstärkt auch Zeichungen auf Transparentkarton (beidseitig bezeichnet) und auf Bütten. Seither auch Integration feingliedriger zeichner. Elemente in großflächig gemalte Formzusammenhänge; ab 2002 sog. „Auftütenbilder“ (bemalte Verpackungen, bes. benutzte Briefversandtaschen).