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Kabarett- und Kleinkunsttage – Gisela Oechelhaeuser

Kunsthalle Ostseeallee 48, Kühlungsborn

Gisela Oechelhaeuser steht seit über vierzig Jahren auf der Kabarettbühne. Aufhören? Für sie nicht vorstellbar. Aber SELBER SCHULD wird ihr letztes großes Solo sein. Und was für eines! Hier gibt sie noch einmal alles: Ein intelligent-ordinärer Parforce-Ritt durch Absurdistan, hinab in die Abgründe der Mitleidlosigkeit, hinauf auf die Gipfel der Rücksichtslosigkeit, über die Gräber im Mittelmeer direkt hinein in das Fest der Volksmusik. Zusammen mit ihrem langjährigen Autor Philipp Schaller sucht sie die Menschlichkeit in Kampfdrohnen (und findet sie), sucht das Mutterglück mit siebzig (und findet es), sucht die Normalität in der Gummizelle (und findet sie). Lachen, wo es weh tut! Denn Gisela Oechelhaeuser zielt auf den Kopf und trifft ins Zwerchfell. Wer da nicht lacht, ist SELBER SCHULD.

Künstler-Webseite: http://www.gisela-oechelhaeuser.com/

Rezension:

Aufklärung über die Psychologie der Angst – Gisela Oechelhaeusers neues Solo „Selber schuld“

Es klingt ein bisschen wie beim Speeddating, als die ewig junge Humoristin sich am Mittwochabend kurz und knackig dem Publikum vorstellt: „Ich bin Gisela, 71, ich mach’ Kabarett.“ Gisela Oechelhaeuser ist zurück. Obwohl die frühere Academixerin eigentlich kein neues Solo mehr erarbeiten wollte, hat es sie doch noch einmal gejuckt. In der knackevollen Funzel feierte ihr Programm „Selber schuld“ Premiere. Und wie beim Speeddating bekommt der Zuschauer verschiedene Gesichter zu sehen – in diesem Fall allerdings keine Figuren, sondern stets die Oechelhaeuser: die versierte alte Bühnenhäsin, die zuverlässig die Pointen zündet; die bitterböse Kritikerin, die heikelste Themen auf die Spitze treibt; aber auch die selbstreflektiert-nachdenkliche Analystin der Gesellschaft. Offensichtliches Lieblingssujet ist der Kampf mit dem Alter – aber nicht nur in ihrer Lebensphase. Denn auch allzu besorgte Helikopter-Mütter ringen mit dem Stress, wenn der mit Outdoor-Equipment überausgerüstete Sohnemann im knöchelhohen Wasser zu ertrinken droht: „Sofort den Bach abstellen!“ Da bietet es sich doch an, erst mit der Gelassenheit des hohen Alters Nachwuchs zu schaffen, hier geht Oechelhaeuser schonungslos auch mit der eigenen Alterskohorte ins Gericht: „Im Alter hat man ja genug Zeit, das Kind trocken zu kriegen, so lange ich es selbst noch bin. Und wenn es noch nicht sprechen kann, wird man auch nicht ins Heim abgeschoben.“
Die Best Ager, wie die Senioren im Marketingsprech tituliert werden, bekommen im Sinne des Wortes ihr Fett weg: Auf dem Kreuzfahrtschiff gibt’s für die Älteren Fettabsaugen to go, die Tonnen an Körperüberschuss landen dann in der Kombüse – als Anbratfett für das Wiener Schnitzel der Passagiere: „Liebling, das Fleisch riecht wie du.“ Derart gelungene Bilder im Kopf zeugen von der fruchtbaren Fusion zwischen Gisela Oechelhaeuser und ihrem langjährigen und über drei Jahrzehnte jüngeren Autor Philipp Schaller. Intern dürfte der viel zitierte Generationenkonflikt also überwunden sein, als Thema auf der Bühne liefert er eine Frischzellenkur für das Zwerchfell.

Doch auch der Umgang mit dem Thema Flüchtlinge bietet der Kabarettistin viele Steilvorlagen für gesellschaftskritische Gags. Warum die überhaupt Flüchtlinge würden und nicht was anderes machen – die könnten doch auch Steuerfachangestellter werden oder Wedding Planer. Dabei nimmt sie im gesamten Programm irrwitzigen Sprachgebrauch auseinander; wie Merkels Aussage der „unbefriedigenden Situation“ im Mittelmeer, die Tausende das Leben kostet, oder auch den aufkommenden Kampfbegriff des „besorgten Bürgers“ („Hitler war ja auch ein besorgter Bürger, als die Russen vor Berlin standen“).
Die 71-Jährige belässt es nicht beim Vorführen, sondern versucht auch aufzuklären über die Psychologie der Angst, dass man sich wünscht, mit Teilen des Stücks via Lautsprecher die nächste Legida-Demonstration zu beschallen. Und Frau Oechelhaeuser zur wohlverdienten Belohnung für den frischen und ausgereiften Austritt auf eine Kreuzfahrt zu schicken – ohne Schnitzel.
Markus Gärtner, LVZ 27.11.2015

Eintritt: 17,- Euro; für Kühlungsborner oder gegen Kurkarte 15,- Euro
Karten in der Kunsthalle oder unter 038293/7540

Kunstverein Kühlungsborn e.V.
Ostseeallee 48
18225 Kühlungsborn

Öffnungszeiten:
Dienstag – Sonntag
12:00 -17:00 Uhr